Donnerstag, 10. Juni 2010

Wie Drogensucht entsteht

Rund 30 Prozent der Studenten an russischen Eliteuniversitäten nehmen Drogen.
Viele von ihnen werden exmatrikuliert, vor allem wegen ihrer Sucht. Das teilte
der Oberdrogenarzt des Ministeriums für Gesundheitswesen und Soziales, Jewgeni
Brjun, in einem RIA-Novosti-Interview mit.

Experten betrachten Drogenabhängigkeit als Krankheit, die zur Gruppe der so
genannten Suchtkrankheiten gehört. Da die Drogensüchtigen in Abhängigkeit von
chemischen Stoffen geraten, werden die Drogensucht und einige andere
Suchterkrankungen (beispielsweise Alkoholismus) als „chemische Abhängigkeit"
bezeichnet.

Die Sucht drückt sich in zwei Formen aus: psychische Abhängigkeit, die für alle
Arten von Drogenabhängigkeit typisch ist, sowie körperliche Abhängigkeit, die
ausgeprägt oder verdeckt sein und in einigen Fällen sogar fehlen kann.

Körperliche Abhängigkeit ist der physiologische Bedarf des Organismus nach
Drogen (allen psychoaktiven Stoffen, die das Bewusstsein, die Stimmung und das
Verhalten des Menschen verändern). Bei der Entwicklung einer Drogensucht
verändert sich die Biochemie des Menschen. Wenn der Organismus keine Drogen mehr
erhält, muss gerät der Mensch in einen kritischen Zustand. Bei
Entzugserscheinungen (Abstinenzsyndrom, auch als „Affe" bezeichnet) fordert der
Organismus die Stoffe, die ihm fehlen und für die Lebenstätigkeit äußerst
notwendig sind.

Sowohl das Bedürfnis nach der Droge als auch die schmerzhaften
Entzugserscheinungen hängen in keiner Weise vom Willen des Menschen, von der
Anwesenheit von Freunden oder Partnern, von den Charaktereigenschaften oder
persönlichen Eigenschaften ab. Um zu verstehen, weshalb das geschieht, bedarf es
eines Blicks auf die Funktionsweise des menschlichen Organismus.

Der lebende Organismus, darunter der menschliche Organismus, ist ein
kompliziertes System, das ganzheitlich funktioniert. Dieses System besteht aus
vielen Ebenen, die miteinander in Wechselwirkung stehen: Die Zellen bilden in
ihrer Gesamtheit die Gewebe, aus den Geweben bestehen die Organe, die Teile des
Organismus sind. Die Verbindung und Wechselwirkung aller Ebenen und Elemente
dieses sehr komplizierten Systems wird durch das Nervensystem ermöglicht.

Es sind das Nervensystem und das Gehirn, die alle Erscheinungen der menschlichen
Persönlichkeit steuern. Der Aufbau des Nervensystems ist kompliziert: Es besteht
aus Nervenzellen (Neuronen), deren Fortsätze Nerven (Nervenstämme) bilden, die
alle Systeme des Organismus in ein Ganzes setzen. Das menschliche Nervensystem
besteht aus mehr als zehn Milliarden Neuronen. Dabei befindet sich mehr als die
Hälfte davon im Gehirn und im Knochenmark, also im zentralen Nervensystem.

Die Neuronen werden durch so genannte Synapsen miteinander verbunden. In den
Synapsen werden die Impulse mit Hilfe von Botenstoffen (Neuromediatoren oder
Neurotransmitter) weiter gegeben. Diese Stoffe werden durch die synaptischen
Endigungen entwickelt und in den synaptischen Spalt abgesondert. Diese Stoffe
können verschiedenartig sein.

Die Mediatoren, die Endorphine genannt werden, sind besonders wichtig für das
Verständnis der Drogensuchtmechanismen. Diese Stoffe haben eine sehr ähnliche
Wirkung wie die Derivate des Drogenstoffs Morphium. Sie haben genauso wie die
Morphine einen schmerzlindernden Effekt.

Ein gewisses Niveau an Endorphinen ist für die normale Funktion des
Nervensystems und somit für ein normales emotionales Befinden des Menschen
notwendig. Bei einem Endorphinmangel sind die Laune und die Aktivität des
Menschen auf einem Tiefpunkt, der Mensch fühlt sich angespannt und unruhig. Ein
Endorphinmangel kann aus verschiedenen Gründen eintreten.

So kann die Endorphinsynthese bei verschiedenen Krankheiten gestört werden. Ein
chemisch abhängiger Mensch hat von Geburt an ein niedriges Endorphinniveau. So
ein Mensch fühlt sich häufig erstmals richtig wohl, wenn er Alkohol oder Drogen
probiert, weil jeder Drogenstoff das Endorphinniveau direkt oder indirekt
normalisiert.

Wenn so ein Mensch dank seiner geistigen oder seelischen Beschaffenheit diese
Art, das Leben ins Lot zu bringen, für akzeptabel hält, wird er sehr bald zum
Drogen- oder Alkoholabhängigen.

Menschen, die an chemischer Abhängigkeit leiden, haben auch andere besondere
angeborene Stoffwechseleigenschaften. Beispielsweise verarbeitet ihre Leber die
Stoffe etwas anders (die Zerlegung und Abführung geht etwas anders vor).
Deswegen wird auch der Alkohol etwas anders verwertet. Die Fähigkeit, sehr viel
zu trinken und dabei nicht betrunken zu werden, ist ein markantes Merkmal von
angeborenem Alkoholismus.

Beim Konsum von psychoaktiven Stoffen wird ruckartig eine große Menge Endorphine
ins Blut abgesondert (Euphorie). Das Gehirn beginnt, sich daran anzupassen,
indem es die Zahl der Endorphin empfangenden Rezeptoren steigert. Mehr noch, mit
der Zeit gewöhnen sich alle Stoffe daran, nur in Anwesenheit dieses Stoffes zu
funktionieren.

Weil das Gehirn mit Morphinen überflutet wird (Heroin) oder sich an eine
permanente sehr starke Stimulation gewöhnt (Kokain oder Alkohol), hört es mit
der Zeit auf, eigene Endorphine zu produzieren.

Gleich nach Unterbrechung der Stoffzufuhr erlebt der Organismus eine massive
Störung. Die Organe können nicht normal funktionieren, und die leeren Rezeptoren
verlangen nach einer neuen Dosis. Weil keine eigenen Endorphine entwickelt
werden, gerät der Mensch in einen kritischen Zustand: Schmerzen, sehr starke
Depressionen, Kräftemangel, ein Gefühl von Leere und Sinnlosigkeit und so weiter.

Wenn er keine chemischen Stoffe mehr nimmt, beginnt der Organismus nach einiger
Zeit wieder mit der Entwicklung eigener Endorphine. Doch der
Abhängigkeitsmechanismus ist bereits gestartet worden, und selbst eine einzige
Dosis an Stoff wird eine unumkehrbare Reaktion hervorrufen.

Weil alle psychoaktiven Stoffe eine ähnliche Wirkung haben, kann ein chemisch
abhängiger Mensch keine chemischen Stoffe einnehmen, ohne eine Sucht zu entwickeln.

Außer körperlicher Abhängigkeit entwickelt der Drogensüchtige auch eine
psychische Abhängigkeit, also ein seelisches Bedürfnis nach der Rückkehr in den
Drogenrausch.

Das ist auch ein Anzeichen der Krankheit. Doch er unterscheidet sich von Grund
auf von einer schlechten Gewohnheit. Im Gegensatz zu einfachen schlechten
Gewohnheiten lässt sich die psychische Abhängigkeit nicht durch eine
Willensanstrengung überwinden. Die Abhängigkeit unterscheidet sich dadurch von
einer schlechten Gewohnheit, dass der Abhängige ohne Droge es nicht mehr
schafft, positive Emotionen zu empfinden, schmerzhafte Situationen zu überwinden
und mit anderen zu kommunizieren. Psychische Abhängigkeit lässt sich viel
schwerer überwinden als körperliche Entzugserscheinungen.

Die Drogensucht hat wie jede Krankheit ihre Voraussetzungen und Anzeichen. Es
kann von bestimmten Ansichten und Überzeugungen abhängen, ob ein Mensch
drogensüchtig wird oder nicht. Einige psychologische Voraussetzungen für die
Erkrankung sind recht einfach zu bemerken. Beispielsweise können zu niedrige
oder zu hohe Selbsteinschätzung, Kommunikationsschwierigkeiten, Komplexe, die
Unmöglichkeit, mit den Gefühlen oder Emotionen fertig zu werden, hohe innere
Spannungen oder Risikofreudigkeit die Drogensucht begünstigen.

Der Artikel beruht auf Informationen aus offenen Quellen.

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